Final Cut
Csiszér, Zsuzsi
Wie bei einem »Final Cut«, dem endgültigen Schnitt innerhalb der künstlerischen Produktion eines Films im Studio, erscheint auch die Bildwelt der ungarischen Künstlerin Zsuzsi Csiszér als ein Zusammenschnitt einzelner Bildsequenzen. Doch im Gegensatz zu den bewegten Bildern des Films und ihrer hintereinander gestaffelten Abfolge fügt die Künstlerin ihre Papierfetzen-artigen Sequenzen in einem scheinbar willkürlichem Konstrukt aus über- und untereinanderliegender Schichten auf die Leinwand zusammen. Die Kunst Zsuzsi Csiszérs ist damit gekennzeichnet durch einen unerschöpflichen Ideenreichtum, mit dem sie unsere massenmedial fixierte Konsumgesellschaft kritisch hinterfragt. In einer eigenständigen Bildsprache und einer komplexen Bildstruktur drückt sie das Spiel mit Widersprüchen und Klischeevorstellungen äußerst lebendig und spannungsvoll aus.
In der künstlerischen Vorgehensweise manifestiert sich die zersplitterte Mehransichtigkeit des Kubismus ebenso wie die Ästhetik der Pop Art. Wie die Vertreter der Pop Art arbeitet Zsuzsi Csiszér nicht nur mit den Bildelementen der Alltagskultur, wobei sie sich vor allem auf die Welt des Konsums, der Massenmedien und der Werbung mit ihren Plakaten, den Fotomodellen und Schriftzügen bezieht, die sie zum Teil mit Graffitis bereichert. Auch die fotorealistische und stark vergrößerte Darstellungsweise sowie das technische Verfahren der ›Décollage‹ verbindet die Künstlerin mit dieser Stilrichtung der 1950er und 1960er Jahre. So schuf Zsuzsi Csiszér zunächst Arbeiten, die bedruckte Papierfetzen aus Zeitungen, Fotos und anderen Massenmedien mit gemalten Porträts und Graffitis in der Weise kombiniert, als ob sie – wie bei der ›Décollage‹ – aus Schnipseln von Passanten zerstörten Plakaten stammen. In einem für sie konsequenten weiteren Schritt schuf sie daraufhin Gemälde, die – wie ein Trompe-l'œil gemalt – den Eindruck einer Collage täuschend echt verbildlichen. Dabei zeigt sich ihre fotorealistische Arbeitsweise nicht nur in der überaus naturalistischen Darstellung der Gesichter, sondern auch in den vermeintlichen Risskanten der einzelnen, mit Öl gemalten Schnipsel.
Gezielt und ganz bewusst bedient sich Zsuzsi Csiszér zeitgenössischer Medien und ihrer dekonstruktiven Bildeffekte, um damit eindrucksvoll den vielschichtigen Einfluss der Massenmedien auf das Individuum selbst zu visualisieren. So geht es ihr nicht allein um die kritische Auseinandersetzung mit unserer Konsumwelt, sondern weit mehr um die Erforschung des menschlichen Seins und seiner Identität innerhalb dieser verbrauchsorientierten Gesellschaft. Das Bild der reinen, makellosen Fotomodelle wird im Collage-artigen Bildaufbau dekonstruiert. Es erhält wie dieser Risse, in denen sich anschaulich die Zerrissenheit der Menschen zwischen den hohen gesellschaftlichen Anforderungen im Bezug auf Schönheitsideale und Jugendwahn und der Suche nach dem Selbst und der eigenen Individualität manifestiert.
So ist die Kunst Zsuzsi Csiszér im Gegensatz zur Pop Art konzeptionell angelegt und reicht daher tiefer als die ihrer Pop Art Protagonisten. Sie arbeitet theoretisch fundiert an mehreren Projekten gleichzeitig, die sie zunächst in verschiedenen Blogs festhält. Dabei versteht sie die Blogs als offene Schubladen ihres Schreibtischs, so dass Interessierte am künstlerischen Entwicklungsprozess teilnehmen und diesen auch kommentieren können.
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