Ausstellungen | »SAISONART 4.0«

SAISONART 4.0

Tines, Sonja
Wakultschik, Maxim
Efe, Alpay
Dohr, Michael
Brückner, Lioba
Die Galeria Simon Nolte eröffnet ihre Saison mit gleich vier jungen und aufstrebenden Künstlern, die sich alle in ihrer Malerei mit dem Bildnis des Menschen auseinandersetzen. Mit hohem malerischen Können rücken Lioba Brückner, Michael Dohr, Alpay Efe und Sonja Tines die Porträtierten ins Zentrum ihres Schaffens. Alle vier konfrontieren dabei den Betrachter mit den grundsätzlichen Identitätsfragen in unserer heutigen Gesellschaft. Wer bin ich, was unterscheidet mich von den anderen und wie setze ich mich und meine Ziele gegenüber anderen Konkurrenten durch – all diese Facetten des menschlichen Seins kommen in den Werken Lioba Brückners, Michael Dohrs, Alpay Efes und Sonja Tines in ganz unterschiedlicher Weise zum Ausdruck. Die Gegenüberstellung dieser verschiedenen künstlerischen Positionen verspricht einen spannenden und aktuellen Einblick in die kunsthistorisch traditionsreiche Porträtmalerei.

Lioba Brückner (geb. 1988 in Oberhausen) beschäftigt sich in ihren Werken vor allem mit dem Bildnis der Frauen. Dabei geht es ihr nicht um das direkte Abbild einer Person, vielmehr unterzieht sie ihre Modelle einer Metamorphose. Es entsteht eine Synthese aus der Persönlichkeit der dargestellten Person und der der Künstlerin. Jedes Porträt ist das Resultat eines komplexen Arbeitsprozesses. Zunächst erfolgt eine Anpassung des Modells an die Vorstellungen der Künstlerin durch Kostüm, Pose und Makeup. In einer anschließenden Fotosession setzt sie das Modell mit Makeup, Kleidung und Accessoires in Szene. Das Bühnenhafte der umgebenden Räume ist ein zentraler Punkt der Gemälde. Die entstandenen Fotografien bilden die Vorlagen für die Gemälde und werden während des weiteren Malvorgangs weiter verfremdet. Teile der Figur verschmelzen mit der Umgebung und herunterlaufende Farbe bildet teils abstrakte Farbflächen. Doch genauso wichtig für ihre Malerei sind Blumen und Tiere, die sich durch filigrane Details und lebendige Charakterstudien auszeichnen und die das Wesen des Motivs auf sehr eindringliche und intensive Weise verbildlichen.

Der österreichische Maler Michael Dohr (geb. 1982 in Wolfsberg) experimentiert mit den Nebenwirkungen der Wohlstandsgesellschaft. Die Menschen in seinen Bildern drücken sowohl die Hoffnung aus, endlich etwas vom Kuchen abzubekommen, als auch die permanente Angst, all dieses wieder zu verlieren.
In seinen Bildern scheint es, dass die Vorstellung des klassischen Naturidylls schon längst zugunsten einer Art Wohlstandsidylle geopfert wurde, deren Existenz uns zwar Zufriedenheit verspricht, in Wirklichkeit aber mit einer tiefsitzenden Angst konfrontiert. Meist sind es starke Kontraste und regelrechte Stilbrüche mit denen Dohr versucht seine Bildwelten aufzubauen. Immer wieder pendelt der Maler zwischen Figuration und Gegenstandslosigkeit und bedient sich scheinbar unersättlich unterschiedlichster Stilelemente, von der klassischen Ölmalerei bis zum Graffiti, vom Modellbaukasten bis zur Pappmachèbombe. Ausgangspunkt sind dabei einerseits realistisch ausgearbeitete Fragmente, die mit gegenstandslosen Strukturen kombiniert werden, als auch stark abstrahierte Landschaften, in die nach und nach figurative Elemente einfließen.

Auch Alpay Efe (geb. 1984 in Oberhausen) widmet sich in seiner sorgfältig ausgearbeiteten und detailliert geschilderten Malerei vor allem dem menschlichen Antlitz. Der Bildausschnitt, den der Künstler für seine Porträts wählt, erscheint wie ein zufällig geschossener Schnappschuss. In seinen Bildern handelt es sich um intime Momentaufnahmen, die eine intensive und unmittelbare Nähe auf den Dargestellten erzeugen. Efes profundes handwerkliches Können, geschult an den Techniken der Altmeister, verbindet sich mit dem Zeitgeist unserer heutigen Gesellschaft. Die Vergangenheit wird mit dem Blick auf die Gegenwart vereint. Der Naturalismus seiner Porträts erfährt durch die leuchtenden Farben und der artifiziellen Lichtregie teils abstrakte Formen und seine Bilder erzeugen so eine geradezu mystische Anziehungskraft.

Ähnlich wie bei Lioba Brückner inszeniert Sonja Tines (geb. 1965) ihre Modelle in einen teils bühnenartigen Raum und stattet sie mit verschiedenen, oftmals rätselhaften Accessoires aus. Die Perspektive in Ihren Bildräumen ist aus den Fugen geraten und kippt ins bodenlose und auch die Bildgegenstände verlieren ihre Schwerkraft und scheinen im Raum zu schweben. Oftmals verbinden sich die verschiedenen Motive zu einer farbenfrohen, ornamentalen Struktur, die trotz der Gegenständlichkeit eine abstrakte Komponente ins Bild bringt. Mit all diesen Methoden hebelt die Künstlerin die Sehgewohnheiten des Betrachters aus und setzt ihre Porträts so in eine faszinierende surreale Bildwelt.

Maxim Wakultschik, der von 1992 bis 2000 an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert hat, be- trachtet diese ambivalenten Situationen gewissermaßen in einem künstlerischen Diskurs, in dem er neue Rezeptionsformen gezielt für die Konstituierung des jeweiligen Werkinhalts entwickelt. Über- greifende Methoden sind unter anderem die serielle Reihung oder die Verwendung künstlerischer Techniken, die die individuelle Handschrift des Künstlers zurückstellen. Immer aber interessieren ihn die Möglichkeiten, von der planen Fläche des klassischen Bildes in die dreidimensionale Sphäre des Raumes vorzustoßen und damit den Betrachter unmittelbar in das Werk einzubeziehen.

Konzeption & Design: Mitja Eichhorn