Abstrakt
Schwarzer, Bernd
In der Ausstellung »ABSTRAKT« widmet sich die Galeria Simon Nolte erstmals ganz dem nonfigurativen Zweig der zeitgenössischen Kunst. Als Antwort auf die Schrecken des Zweiten Weltkriegs bildete sie sich in den 50er Jahren zur vorherrschenden internationalen Kunstströmung heraus. Nun feiert sie wieder ein erstaunliches Comeback und zeigt damit allen, dass sie noch genau so überraschend innovativ und vielseitig ist, wie sie es von Anbeginn ihrer Entstehung war. Dieses kreative und vielfältige Potential abstrakter Gegenwartskunst führt »ABSTRAKT« exemplarisch anhand verschiedener nonfigurativer Positionen vor. Dabei legt sie einen besonderen Fokus auf die Kunstrichtungen, die alle in eigenen Ansätzen die Wirkungen der Farben, ihre gestalterischen und psychologischen Eigenschaften in ihrer Malerei erproben.
Mit Hermann-Josef Kuhna und Bernd Schwarzer zeigt die Ausstellung zwei renommierte Künstler des Strukturalismus: ersterer arbeitet dabei in präzise gesetzten, genau aufeinander abgestimmten Farbpunkten und –tupfern, letzterer in eruptiven und reliefartig modellierten Farblandschaften. Der Erstere nutzt die Wirkungen der Farben und ihre Interaktionen, um mit Ihnen ganz bestimmte Empfindungen, Erlebnisse oder Zustände auszudrücken, der Letztere greift in seiner nonfigurativen Sprache auf eine allgemein verständliche Farbsymbolik zurück, mit der er sich mit der deutschen Vergangenheit und ihren europäischen Vernetzungen auseinandersetzt.
Johannes Oberthür denkt in ähnlichen Strukturen wie Hermann-Josef Kuhna. Nur sind es bei ihm keine Farbtupfer, sondern intensiv strahlende Farbbahnen, aus denen der Künstler seine Kompositionen aufbaut. Die geradlinige Strenge, mit der die Farbstreifen die Leinwand meist horizontal oder vertikal durchqueren, sich einander berühren oder teilweise überkreuzen, erzeugt eine Dynamik, die durch die Wirkungsweisen der einzelnen Farben untereinander noch gesteigert wird.
Die strukturelle Herangehensweise greifen die jungen Maler Hugo Boguslawski und Keoun Lee auf, um damit die Strukturen in der Natur aufzuspüren und abstrahierend zu visualisieren. Während Hugo Boguslawski wie in einer Art Neucodierung des Gegenstands die spezifische Struktur von Blättern, Gräsern, geologischen Erdformationen etc. in seinen All-Over-Bildern herausfiltert, abstrahiert und interpretiert die Südkoreanerin Keoun Lee die stofflichen Eigenschaften der verschiedenen Oberflächentexturen in der Natur. Sowohl der einstige Kuhna-Meisterschüler als auch die Düsseldorfer Kunstakademiestudentin greifen Elemente aus der Natur für ihre Malerei auf. Doch die Art, wie sie diese Elemente bildlich verarbeiten, haftet der experimentelle Charakter an, die der abstrakten Kunst zu eigen ist.
Auch Rhea Standke und Simone Klerx dient die Natur als Inspirationsquelle. Simone Klerx, die bei Siegfried Anzinger und Markus Lüpertz studierte, spielt in ihren Bildern mit dem Raum und seiner Tiefe, indem sie dreidimensional auf zweidimensional dargestellte Körper stoßen lässt, um so ihr Hauptthema ›Wachsen und Werden‹ zu verbildlichen. Dagegen schildert und verfremdet Rhea Standke die Unterwasserwelt in sanften Pastelltönen, die sie in ineinanderfließenden Farbübergängen auflöst und in duftig-transparente »Fantasielandschaften« (RHEA STANDKE) verwandelt.
In ähnlich duftig-zarter Malart zelebriert Mechtild van Ahlers ihre Farben auf der Leinwand. Dabei trägt die Künstlerin die Farbe in feinen Schichten lasierend auf und erzeugt so eine intensive Farbigkeit, mit der sie ganz spielerisch und leicht die betörende Sinnlichkeit der Pflanzenwelt und der Natur oder eine an die Poesie inspirierte Atmosphäre heraufbeschwört.
Dagegen ist die Kunst Wolfgang Gramms ganz von der dynamischen und kraftvollen Sprache des Abstrakten Expressionismus durchdrungen. In großen, kräftigen Strichen trägt der Künstler die Farbe spachtelartig, in mehreren Schichten auf die meist großformatigen Leinwände auf, so als ob die Hand spontan und impulsiv aus seinem Unterbewusstsein heraus geleitet würde. Auf diese Art nehmen Gramms innersten Gedanken und Emotionen in intensiven, leuchtend-glühenden Farbräumen Gestalt an, die auch Assoziationen an die gegenständliche Welt in sich bergen.
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